Soziale und spirituelle Wurzeln der Pflege

Entwicklung einer ganzheitlichen, integrativen Pflegekultur

Als weltweite Bewegung der beruflichen Pflege braucht es gegenseitige Wahrnehmung, Beratung und Unterstützung bis hin zur Verabredung gemeinsamer Qualitätsstandards in Praxis, Ausbildung und Forschung. Der zentrale Ort für diese Aufgabe ist der Internationale Pflegekongress, der alle zwei Jahre am Goetheanum in Dornach in der Schweiz stattfindet. Hier versammeln sich einerseits Mitarbeiter aus der anthroposophischen Pflege weltweit, andererseits stellt sich der anthroposophische Pflegeimpuls dabei auch der allgemeinen Fachöffentlichkeit.

Der anthroposophische Pflegeimpuls hat sich seit 1921 parallel zur Anthroposophischen Medizin entwickelt. Inzwischen gibt es weltweit schätzungsweise 3.000 beruflich Pflegende in anthroposophischen Kliniken, Altenheimen, heilpädagogischen und sozialtherapeutischen Einrichtungen und ambulanten Pflegediensten. In 16 Ländern haben sich Pflegende mit dem anthroposophischen Pflegeimpuls verbunden. Sie bilden im International Forum for Anthroposophic Nursing (IFAN) ein Netzwerk aus ca. 60 Repräsentanten. In neun Ländern bestehen nationale anthroposophische Pflegeverbände, die sich im International Council of Anthroposophic Nursing (ICANA) zusammengeschlossen haben. Ziel dieser Zusammenschlüsse ist die Entwicklung einer ganzheitlichen, integrativen Pflegekultur.

Die Pflegekongresse am Goetheanum untersuchen seit 2000 die sozialen und spirituellen Wurzeln der Pflege – in jedem Jahr unter einem spezifischen Motto. Vor allem die innere Haltung, die jeder einzelne Pflegende dem Patienten, Bewohner, Betreuten oder Pflegebedürftigen entgegenbringt, ist ein Kernbereich des Pflegeberufes. Diese Haltungsfragen werden aber in der Regel kaum thematisiert, weshalb dieses Kongressformat für die Pflege weltweit einzigartig sein dürfte.

Die Pflegekongresse decken ein breites fachliches Spektrum ab. Sowohl für die Pflege von Kranken, alten Menschen und Kindern werden Arbeitsgruppen angeboten, wie auch für fachliche Spezialisierungen in Onkologie, Palliative Care, Demenz-Pflege oder Intensivpflege. Von besonderer Bedeutung sind die praktischen Formate zu rhythmischen Einreibungen, Bädern, Wickeln und Auflagen, die in die Kongresse integriert werden.

Der Internationale Pflegekongress am Goetheanum ist Ausgangspunkt für neue Initiativen weltweit. Er regt Pflegende an, in ihren Ländern Initiativen zu gründen und weiterzuentwickeln. Ohne diesen Kongress hätte die weltweite Anthroposophische Pflege kein physisches Zentrum.

PROJEKTDETAILS

Das Internationale Forum für Anthroposophische Pflege (IFAN)

Dem Internationalen Forum für Anthroposophische Pflege (IFAN) gehören Initiativen aus 16 Ländern weltweit an. Darunter zum Beispiel nationale Berufsverbände, Aus- und Weiterbildungseinrichtungen, ambulante Pflegedienste und Experten für Anthroposophische Pflege. Das IFAN ist eine Unterabteilung der Medizinischen Sektion der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft, Goetheanum, welche wiederum den anthroposophisch-medizinischen Impuls weltweit repräsentiert. Das IFAN ist Mitglied der Internationalen Koordination Anthroposophische Medizin (IKAM), welche die Zusammenarbeit der verschiedenen Gesundheits- und Heilberufe im Bereich der Anthroposophischen Medizin weltweit pflegt.

Ganzheitliche und Integrative Pflege

Ganzheitliche Pflege betrachtet den Menschen nicht allein in seinen Krankheitssymptomen oder pflegerischen Abhängigkeiten, sondern entwickelt Methoden der individuellen und sozialen Gesundheitsförderung. Äußere Anwendungen, rhythmische Einreibungen und Methoden zur Pflege eines gesunden, individuellen Lebensstiles sind dabei ebenso von Bedeutung wie die Gestaltung der emotionalen und sozialen Bedingungen für ein selbstbestimmtes, freies Leben. Im Mittelpunkt der ethischen Überzeugungen und Haltungen der anthroposophischen Pflege steht der tätige Einsatz für das Recht von kranken, behinderten oder pflegebedürftigen Menschen an sozialer Teilhabe und individueller Entwicklung.

Integrative Pflege bedeutet, dass zum einen die traditionellen Pflegemethoden und Pflegekulturen in den verschiedenen Regionen der Erde beachtet werden. Zum anderen werden die Erkenntnisse der modernen Pflegewissenschaft, aber auch die erweiternden Ansätze der Anthroposophischen Medizin einbezogen. So versucht die Anthroposophische Pflege den Menschen in den verschiedene Phasen seines Lebens in seinen körperlich-gesundheitlichen, aber auch in seinen seelischen und spirituellen Bedürfnissen zu unterstützen.

Welche Phasen hat der Kongress bisher durchlaufen?

Unter dem Motto „Spiritualität in der Pflege“ mit jeweiligen spezifischen Unterthemen wurden bislang acht Kongresse veranstaltet.

2000      Spiritualität in der Pflege
2002      Das Menschen-Mögliche, ist mehr als das technisch Machbare
2004      Liebe und Heilung
2006      Zeit in der Pflege
2008      Schönheit, Authentizität und Kraft für Innovation
2010      Was kann Anthroposophische Pflege leisten?
2012      Verwundung und Heilung
2014      Das Gute tun

Wofür werden die Gelder der MAHLE-STIFTUNG konkret eingesetzt?

Die Organisation und Durchführung der Kongresse ist allein durch die Tagungsbeiträge nicht kostendeckend. Ohne Reisekostenunterstützung und Freikarten für Teilnehmer aus Ländern mit niedrigeren Gehältern wäre ein internationaler Kongress dieses Formats nicht denkbar. Nur durch die Unterstützung von Sponsoren und Stiftungen war eine solche Kongressreihe möglich. Der Beitrag der MAHLE-STIFTUNG hat zur Wirksamkeit und zum Erhalt dieser Veranstaltungsreihe wesentlich beigetragen.

Ausblick

Der nächste Kongress ist für 2017 geplant. Er wird eine inhaltliche Neuausrichtung erfahren, denn es sollen nicht nur professionelle Pflegende eingeladen werden, sondern auch pflegende Angehörige und Menschen, die selbst akut von Pflegebedürftigkeit betroffen sind. Überall in der Medizin wird diskutiert, wie man Patienten stärker und aktiver in die Gestaltung der Behandlungsprozesse einbeziehen kann. Es gilt, intensiver mit Angehörigen und freiwilligen Helfern zusammenzuarbeiten und gemeinsame, zukünftige Formate zu entwickeln.