Internationale Aus- und Weiterbildung in der Anthroposophischen Medizin
Das International Postgraduate Medical Training (IPMT) wird von der Medizinischen Sektion am Goetheanum/Schweiz in Zusammenarbeit mit regionalen Vorbereitungsgruppen veranstaltet. Es handelt sich um eine fünfjährige Fortbildung für Ärzte, Medizinstudenten und andere im Gesundheitsbereich Tätige mit jeweils einer Fortbildungswoche pro Jahr und der Möglichkeit einer abschließenden Zertifizierung. Das IPMT wurde im Jahr 2002 begründet und findet inzwischen in 18 Ländern auf allen fünf Kontinenten mit jährlich weltweit ca. 1.200 Teilnehmern statt.
Der Vormittag der einwöchigen Weiterbildungs-Module hat einen stark praxisbezogenen Charakter, der Nachmittag ist der fachlichen Arbeit in Workshops gewidmet und am Abend werden Fragen der medizinischen Ethik erörtert. Dabei steht immer die Fähigkeitsausbildung im Vordergrund: Das Gelernte soll direkt in die tägliche Praxis des Arztes oder Therapeuten umgesetzt werden können. So können die Teilnehmenden bereits ab der ersten Woche den Mehrwert der Fortbildung in ihre Arbeit einbeziehen. Integrativer Bestandteil sind daher auch Patienten- und Fallbesprechungen.
Im Rahmen dieser Weiterbildung ist es möglich, als approbierter Arzt nach fünf Jahren das Zertifikat zum Anthroposophischen Arzt zu erwerben. Dazu sind neben fünf Ausbildungswochen eine mindestens zweijährige Arbeit mit einem Mentor, die Durchführung zweier Fallstudien und ein Abschlusskolloquium notwendig. Für die Zeit zwischen den Ausbildungswochen werden die Studierenden angeregt und angeleitet, das Gelernte vor Ort im Selbststudium oder in regionalen Kleingruppen zu vertiefen und auszuarbeiten. Das IPMT hat in den Jahren seit seiner Entstehung sehr zur Verbreitung und Internationalisierung der Anthroposophischen Medizin (AM) beigetragen. Meist ist die Zertifizierung eines oder mehrerer AM-Ärzte Voraussetzung, um eine AM-Ärztegesellschaft im jeweiligen Land gründen zu können. Mit der Zahl der AM-zertifizierten Ärzte wächst die Möglichkeit, AM-spezifische Anliegen auch auf politischer Ebene durchzusetzen. Für den einzelnen Arzt ist die Zertifizierung eine Aufnahme in die weltweite AM-Ärzteschaft. Damit erlebt er sich als Teil eines weltweiten Impulses. Er darf sich öffentlich „Anthroposophischer Arzt“ nennen, was vor allem für Patienten relevant ist, die nach Anthroposophischer Medizin suchen.
PROJEKTDETAILS
Welche Phasen hat das Projekt bereits erreicht?
Das IPMT verdankt sein Entstehen einer Umgestaltung des englischsprachigen Ärzteseminars an der Lukas-Klinik in Arlesheim in der Schweiz. Bis zum Jahr 2000 waren zahlreiche Ausbildungsstätten in verschiedenen Ländern entstanden, und es stellte sich aufgrund sinkender Teilnehmerzahlen in Arlesheim die Frage, welche Gestalt ein internationales Seminar heute haben müsste. Die Evaluation ergab ein klares, einheitliches Bild: Die Module der Weiterbildung sollten nicht länger als eine Woche dauern, konsequent auf die Ausbildung der diagnostisch-therapeutischen Kompetenz ausgelegt und so patienten- und praxisbezogen wie möglich sein. Die Weiterbildung sollte in den Ländern in der jeweiligen Landessprache stattfinden und vor Ort eigenständig organisiert werden.
Die erste IPMT-Woche fand schließlich 2002 in Łódź in Polen statt, zu der statt der erwarteten 50 Teilnehmer 170 Interessierte kamen. 2003 wurden IPMT-Wochen auf Bitten von neuen Ärztegruppen in Russland, der Ukraine und Finnland bereits in vier Ländern veranstaltet, 2004 schon in neun Ländern. 2015 findet das IPMT in 18 Ländern statt: In Schweden, Tschechien, Serbien, der Ukraine, Russland, China, Indien, Thailand, Taiwan, auf den Philippinen, in Malaysia, Australien, in den USA, in Mexiko, Kolumbien, Chile, Argentinien und in Südafrika.
Was sind die konkreten Ziele des Projekts?
- Fortbildung von approbierten Ärzten zum zertifizierten Anthroposophischen Arzt in Ländern ohne eigene anthroposophische Ärzteausbildung
- Weiterbildung von Pharmazeuten, Therapeuten, Heilpädagogen und Pflegenden mit zertifiziertem Abschluss
- Mithilfe bei der Begründung organisatorischer Strukturen (z.B. von Berufsverbänden) im Hinblick auf eine gute internationale Vernetzung, die Anerkennung und Interessenvertretung der AM vor Ort sowie die Zulassung von AM-Arzneimitteln im eigenen Land
- Zusammenarbeit mit Universitäten und Kliniken für eine stärkere Verankerung der AM im akademischen und klinischen Bereich
- Zusammenarbeit mit Ausbildungsinitiativen in anderen Ländern, um durch Vernetzung die bestehenden Kompetenzen optimal zu nutzen und so die Verselbstständigung der Ausbildungsaktivitäten im jeweiligen Land zu fördern.
Freie Hochschule für Geisteswissenschaften am Goetheanum in Dornach/Schweiz
Die Medizinische Sektion ist eine von elf Sektionen der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft am Goetheanum in Dornach/Schweiz. Aufgabe dieser Freien Hochschule ist die Forschung auf geistigem Gebiet, die Anregung und Behandlung von Fragen aus der Praxis sowie die Weiterbildung in anthroposophisch orientierten Arbeitsfeldern. Neben der Allgemeinen Anthroposophischen Sektion, in der zentrale Fragen der Anthroposophie erforscht werden, gibt es zehn Fach-Sektionen. Ihre Aufgabe ist die Wahrnehmung zukunftsweisender Entwicklungen im fachlichen Kontext, die geistige Durchdringung der Berufsgebiete und die spirituelle Vertiefung der Lebenspraxis. Die Arbeit der Medizinischen Sektion im Konkreten umfasst fünf Tätigkeitsbereiche:
- Aus- und Weiterbildung im Rahmen des International Postgraduate Medical Training (IPMT), der Heileurythmie-Ausbildung am Goetheanum sowie andere Seminarangebote
- Verbreitung, Austausch und Vertiefung der anthroposophischen Medizin und ihrer Therapieformen durch Vorträge, Veröffentlichungen, Tagungen, Fachseminare und Publikationen
- Förderung von Initiativen der Anthroposophischen Medizin in Forschung und Praxis
- Internationale Koordination der Berufs- und Tätigkeitsfelder innerhalb des Netzwerks der anthroposophisch-medizinischen Bewegung (IKAM)
- Engagement für Therapiefreiheit, Methodenvielfalt und Gesundheitsförderung in Pädagogik, Landwirtschaft, Sozialwissenschaft, Politik und anderen Bereichen
Wofür werden die Gelder der MAHLE-STIFTUNG konkret eingesetzt?
Die Medizinische Sektion erhält ihre Mittel zur Unterstützung des IPMT im Wesentlichen von Stiftungen, so seit 2006 auch von der MAHLE-STIFTUNG. Mit diesen Mitteln werden die Reisekosten und die Honorare der externen Dozenten sowie die administrativen Kosten in Dornach für die Projektplanung und -durchführung, Mentorenvermittlung und -betreuung, Programmerstellung und -versand, Korrespondenz, Studienmaterialien etc. getragen.
Ausblick
Für die kommenden fünf Jahre sind folgende Entwicklungsschritte vorgesehen:
- Intensivierung der Zusammenarbeit des IPMT mit anthroposophischen Kliniken und dadurch Anregung von Neugründung von AM-Abteilungen im klinischen Bereich
- Einrichtung von „Forschungstagen“ im zeitlichen Umfeld eines IPMT, auf denen Forschungsergebnisse aus der AM präsentiert werden (zum Aufbau eines engeren Kontaktes zu den Universitäten in den IPMT-Ländern)
- Steigerung der Kompetenzen der lehrbefähigten, zertifizierten AM-Ärzte durch eine Ausbilderschulung, wodurch eine Verselbstständigung der Ausbildungsaktivitäten im jeweiligen Land gefördert wird. Erstellung von neuem Lehrmaterial und Übersetzungen von vorhandenem Material ins Englische, Spanische und Russische und deren Publikation
- Verstärkte Integration der neuen Medien als unterstützende Faktoren in das Fortbildungskonzept